Statement von Schule brennt zur aktuellen Reform der Lehrer*innenausbildung
Nein zur neuen Lehramts-Novelle - echte Verbesserungen JETZT!
Die Marketing-Abteilung des Bildungsministeriums hat sich ordentlich ins Zeug legen müssen, um mit altbekannten Phrasen, wie "Zukunftsweisende Bildungspolitik", "bildungspolitischen Meilenstein" oder "kürzere Ausbildungsdauer ohne Qualitätsverlust", die Absurdität dieser Reform zu kaschieren. Schule Brennt blickt hinter diese Phrasen und spricht sich klar gegen diese Reform aus! Für uns zeigt sich, dass unter dieser Reform des Spardiktats vor allem Schüler:innen, Lehrer:innen und Universitätsangestellte leiden werden.
Denn erstens. Die Kürzung der Ausbildung behebt NICHT automatisch den Lehrer*innenmangel. Dazu sind Reformen des Lehrberufs notwendig. Es ist dringend nötig, das Betreuungsverhältnis in den Schulen zu verbessern, multiprofessionelle Teams an allen Schulen einzusetzen und das Lohnsystem transparenter zu gestalten, Hierarchien unter Pädagog:innen abzubauen und Lehrkräfte von Verwaltungsaufgaben zu entlasten. Eine Kürzung der Ausbildung ändert nichts an den Arbeitsbedingungen, die Lehr:innen ins Burn-Out schicken und ausbrennen lassen. Eine Kürzung der Ausbildung bereitet stattdessen künftige Lehrer:innen noch weniger auf den Berufsalltag vor.
Zweitens. Die Kampagne Klasse Job zielt vor allem darauf ab, Quereinsteigende in den schlecht organisierten Beruf zu schicken. Betont werden die Erfolgszahlen, wie die positive Zertifizierung von über 2.300 neuen Kolleg:innen. Jede neue Kolleg:in ist für uns ein Gewinn, aber die Zahlen sind nicht ehrlich, solange sie nicht den Zahlen der Aussteigenden gegenübergestellt werden und differenziert wird zwischen den Schultypen. So ist das steigende Plus von fast 1000 Anfänger:innen des Lehramts vor allem dem Plus in der Primarstufe geschuldet, während die Zahlen der Anmeldungen für das Lehramt der Sekundarstufe weiterhin stagniert bzw. teils rückläufig sind. Diese Sprache des Marketings, wo selbst der Aufruf einer Website als Erfolg gefeiert wird, verhöhnt Wähler:innen und vor allem alle, die im Bildungsbereich tätig sind. Wir fordern Ehrlichkeit und Transparenz!
Drittens. Der pädagogische Anteil für das Lehramt der Sekundarstufe auf ein absolutes Minimum von (mind.) 15 ECTS Punkten reduziert. Waren bisher 40 bis 50 ECTS Punkten hier vorgesehen, sind es nach der Reform nicht einmal die Hälfte! Die beiden zu wählenden Fächer werden dementsprechend geringer verkürzt von 95-100 ECTS auf mind. 60 ECTS. Für Lehrer:innen bedeutet dies, dass sie weniger als bisher auf die pädagogischen Herausforderungen in der Schule vorbereitet sind. Für Schüler:innen - vor allem aus besonders benachteiligten Schichten, ohne Deutsch als Erstsprache oder in prekären Lebensverhältnissen - bedeutet dies, dass sie überforderten Lehrer:innen gegenüber sitzen und nicht bestmöglich in ihren Bedürfnissen unterstützt werden. Leidtragende dieser Kürzung sind vor allem Schüler:innen und Lehrer:innen in den Mittelschulen.
Viertens. Die Verankerung der Inklusiven Pädagogik und Deutsch als Zweitsprache entpuppt sich in Wahrheit als teilweise Kürzung. Festgeschrieben sind in dem auf 15 ECTS-Punkte reduzierten pädagogischen Teil des Lehramtsstudiums der Sekundarstufe jeweils 3 bis 6 ECTS-Punkte pro Schwerpunkt. Sind bislang - wie beispielsweise im Curriculum Verbund Ost 5 ECTS-Punkte für den Schwerpunkt Inklusive Pädagogik vorgesehen - ist nun sogar eine Kürzung im Schwerpunkt Inklusiver Pädagogik möglich und leider auch sehr wahrscheinlich geworden. Die Kürzung insgesamt lässt auch kaum Platz für "epochale Schlüsselprobleme" unserer Zeit, wie beispielsweise einer klimagerechten Bildung.
Fünftens. Vor allem die Pädagogik erfährt mit dieser Reform notwendigerweise eine Verdichtung von Lehr-Lerninhalten. Sollte der inhaltliche Anteil des Studiums nicht auf ein absurdes Minimum verkürzt werden, so ist zu erwarten, dass mehr oder weniger die selben Inhalte des bisherigen Curriculums in weniger Zeit zu lernen sein werden. Das erhöht den Arbeitsaufwand und wird gerade für Studierende, die bereits an Schulen arbeiten, noch mehr zur Burn-Out-Gefährdung führen - trotz der Festschreibung bis zum Master-Abschluss nur eine halbe Lehrverpflichtung annehmen zu dürfen. Werden die Gehälter der Lehrer:innen nicht deutlich angehoben, bedeutet dies gerade für Studierende aus ökonomisch schwächeren Haushalten, dass sie gar einen dritten Job annehmen müssen, um ihr Leben finanzieren zu können. Es kann ganz grundsätzlich nicht sein, dass Kolleg:innen, die dieselbe Arbeit machen, weniger Gehalt bekommen, weil sie noch im Studium sind. Aktuell ist das für unzählige Lehramtsstudierende die Realität, zumal die Dienstzeit vor dem Masterabschluss nicht für das Vorrücken in die nächste Gehaltsstufe berücksichtigt wird. Studierende, deren Abschluss sich durch die Doppelbelastung verzögert, schauen hier abermals durch die Finger.
Diese Novelle ist ein weiteres Beispiel dafür, wie über die Köpfe der Betroffenen hinweg Bildungspolitik gemacht wird. Wir sagen: Lehrer:innen, Pädagog:innen, Eltern, Schüler:innen - das sind die wahren Expert:innen, die über Bildungsreformen entscheiden sollten! Wir müssen uns gemeinsam und solidarisch gegen diese Reform wehren. Schule Brennt wird einen Beitrag dazu leisten. Aus unserer Sicht braucht es Druck, Proteste und Organisierung - bis hin zu Streiks - im gesamten Bildungsbereich, um echte Verbesserungen erkämpfen zu können. Mach auch du mit, damit wir in unseren Schulen und Universitäten diesen Druck aufbauen können. Diskutier mit uns die Auswirkungen der Reform in deinem jeweiligen (Arbeits-)bereich, schick uns deine Sicht und lass uns gemeinsam überlegen, wie wir diesen Widerstand aufbauen können!